Fehlender Lebenssinn und Selbstmordgedanken

Symptom 18
Ich sehe keinen (oder kaum einen) Sinn in meinem Leben, und insgeheim habe ich schon einmal (oder mehrmals) daran gedacht, meinem Leben ein Ende zu setzen
Tatsächlich gibt es Alleingeborene, die in ihrem Leben keinen (oder kaum einen) Sinn sehen. Das Risiko dafür ist dann besonders hoch, wenn Betroffene noch keinerlei Kenntnis von ihrem vorgeburtlichen Zwillingsverlust haben. Sie sind aus diesem Grund nicht in der Lage zu verstehen, weshalb sie «so anders» sind als die Anderen und wieso sie oftmals so «seltsam» denken, fühlen und handeln.

Eine Folge dieses «Anders-Seins» kann sein, dass sie von ihrem sozialen Umfeld nicht akzeptiert und als Folge davon ausgeschlossen werden. Dies wiederum triggert in ihnen das Gefühl unerträglicher Einsamkeit, unter dem sie seit dem Verlust ihres geliebten Zwillings so sehr leiden. Dieses Gefühl kann derart unerträglich werden, dass manche keinen Sinn mehr in ihrem Leben sehen und sie sogar an Selbstmord denken.

Stephen Porges, Professor der Psychiatrie an diversen namhaften Universitäten in Amerika schreibt dazu: «Eines der wichtigsten emotionalen Bedürfnisse ist nach Auffassung des Human-Givens-Ansatzes das Bedürfnis nach Sinn. Wird es nicht erfüllt, herrscht Hoffnungslosigkeit und die Art von Depression, die zum Suizid führen kann. [….] Menschen die schwere Traumata erlebt und überlebt haben, lehren uns, dass die stärkste Wirkung, die ein Trauma haben kann, der Verlust des Lebensziels ist.» (Porges, 2021, S. 206).

Der Human-Givens-Ansatz basiert auf der Idee, dass Menschen fünf grundlegende Bedürfnisse (die «human givens») haben, die erfüllt werden müssen, um psychische Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern. Beim überlebenden Zwilling wird die Erfüllung dieser Grundbedürfnisse infolge des vorgeburtlichen Verlusts seines Geschwisters jedoch stark erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht:

  • Das Gefühl von Sicherheit und Stabilität: Nach dem Verlust seines Geschwisters im Mutterleib dürfte der überlebende Zwilling jegliches Gefühl von Sicherheit und Stabilität verloren haben.
  • Das Gefühl der Verbindung zu anderen: Die engste emotionale Bindung, die es gibt, ist jene unter Mehrlingen im Mutterleib. Diese Bindung wird durch den vorgeburtlichen Tod eines der beiden Geschwister jäh beendet, und das hinterlässt zwangsläufig Spuren beim Überlebenden.
  • Das Gefühl, wertvoll zu sein: Die Überzeugung vieler Alleingeborener, irgendwie am frühzeitigen Tod ihres Zwillings schuld gewesen zu sein, steht einem gesunden Selbstwertgefühl diametral entgegen.
  • Das Gefühl der Sinnhaftigkeit des Lebens: Es ist unschwer nachvollziehbar, dass der überlebende Zwilling nach dem vorgeburtlichen Tod seines geliebten Geschwisters im Mutterleib keinen Sinn mehr in seinem Leben zu erkennen vermag. Im kleinen Embryo oder Fötus denkt es: «Was soll ich jetzt noch – jetzt, wo mein geliebter Zwilling nicht mehr da ist….?»
  • Das Gefühl der Selbstwirksamkeit: Das Gefühl vollkommener Hilflosigkeit angesichts des vorgeburtlichen Sterbens seines Geschwisters brennt sich beim Überlebenden tief in seine DNA. Er stellt sich die Frage: «Wenn ich allen Unwägbarkeiten und Launen des Schicksals so derart hilflos ausgeliefert bin – welchen Sinn hat dann das Leben für mich?»

Solche vorgeburtlich entstandenen Überzeugungen und Glaubenssätze beeinflussen das Leben einiger Alleingeborener in verhängnisvoller Art und Weise. Dies ist umso problematischer, als dies alles tief in deren Unbewusstem (umgangssprachlich oft als «Unterbewusstsein» bezeichnet) verborgen ist. Betroffene (und vielfach auch deren soziales Umfeld) neigen dann zu Aussagen wie: «Versuch doch einfach mal, das Positive in Deinem Leben zu sehen!» oder «Nun reiss Dich doch gefälligst am Riemen und sei nicht so ein Jammerlappen!»

Da solche wenig konstruktiven Selbst- oder Fremdvorwürfe naturgemäss nichts zur Verbesserung des Lebens der Betroffenen beitragen, verschlimmern sie deren Situation noch zusätzlich, und sie sagen sich dann Dinge wie: «Wieso bin ich überhaupt noch hier? Ich kriege ja sowieso nichts gebacken. Ich werde eh niemandem fehlen, wenn ich nicht mehr da bin!» u. v. ä. m.

 


WICHTIG: Falls Du in Erwägung ziehst, unter der Rubrik «Selbsttest» den dort angebotenen Test durchzuführen, dann ist es von Vorteil, wenn Du Dir die Rubrik «Symptome» erst nach dem Absolvieren desselben anschaust. Ansonsten könnte dies Deine Antworten beeinflussen, und das Testresultat würde dadurch weniger aussagekräftig.